Mit etwas Verspätung fahre ich mit dem Verbloggen meiner Erlebnisse bei der Konferenz der International Association for Feminist Economics in Berlin fort.

Mein zweiter Workshop hieß "Engendering Economic Policy" und nahm den Appell von Silvia Walby aus dem Eröffnungspanel auf, dass Feministische Ökonomie sich mehr mit Finanzpolitik beschäftigen soll. Den Auftakt machte Brigitte Young, die ein Forschungsprojekt vorstellte, mit dem sie die "Black Box Finance" knacken will.

Zunächst identifizierte sie drei Aspekte, unter denen Finanzpolitik wirkt, nämlich als "Risk bias" (Wer trägt die Risiken des Finanzkapitalismus beziehungsweise muss dessen Folgen ausbaden), als "Credit bias" (Welche neuen Machtverhältnisse zwischen Schuldnern und Gläubigern entstehen? Geld als Form sozialer Beziehungen…) und schließlich als "Asset Bias".

Verwobenheit von Finanzmarkt und Geschlechterverhältnissen

Alle diese drei Punkte haben offenbar klare Gender-Implikationen, obwohl immer behauptet wird, "Finance" wäre geschlechterneutral, weshalb sich auch Genderstudies vorwiegend auf Themen wir Arbeitsmarkt oder Sozialstaat bezogen haben. Doch das verschleiert, wie gravierend sich der Finanzmarkt und Finanzpolitik mit Geschlechterverhältnissen verwoben sind.

Als Schuldnerinnen sind Frauen inzwischen in den Finanzmarkt integriert, allerdings nicht als Kreditgeberinnen. Das Vermögen konzentriert sich vorwiegend in der Hand von Männern, was bedeutet, dass Männer häufiger von Finanzmarktspekulationen profitieren. Diejenigen, die die Verluste ausbaden (zum Beispiel durch Wertverlust von Lebensversicherungen) sind hingegen in größerem Maße auch Frauen. Diese genauen Zusammenhänge sind aber noch nie systematisch erforscht worden.

Als zweite sprach Elisabeth Klatzer von Attac Österreich und präsentierte eine interessante Studie über die Empfehlungen der Europäischen Kommission an die EU-Mitgliedsländer, die – sofern sie Schuldendefizite vorweisen – ihre Haushalte der EU-Kommission vorlegen müssen. Klatzer hatte die verschiedenen Vorschläge gruppiert nach solchen, die schlecht für Frauen sind, solchen, die gut für Frauen sind, und solche, bei denen sich das nicht sagen lässt. Dieser mittlere Bereich war der größte, aber doch auch ein erklecklicher Anteil von Vorschlägen war zum Nachteil für Frauen, während es kaum Vorschläge gab, die zum Vorteil für Frauen sind. Die einzigen, die hier signifikant auftraten, betrafen Verbesserungen in der Kinderbetreuung (haha) beziehungsweise solche, die die "Employability" von Frauen verbessern, davon aber nur wenige. "Nicht mal der kleinste Versuch, Themen der Geschlechtergerechtigkeit anzusprechen", so Klatzers Fazit.

Geschlechtergerechtigkeit und Entwicklungspolitik

Danach berichtete Corina Rodgriguez-Enriquez über die gerade beendete FFD3-Konferenz in Addis Abeba, bei der es um Möglichkeiten der Finanzierung von Entwicklungspolitik ging. Bezugnahmen auf Geschlechtergerechtigkeit habe es dort nur selten gegeben, im Schlussdokument werde auf Frauen nur Bezug genommen, indem ihre Förderung gleichzeitig auch Wachstum und Entwicklung fördern würde – ein typischer Fall von "Womenomics" also.

Einen theoretischen Überblick zur "Lage der Dinge" gab dann Jill Rubery. Sie appellierte daran, nicht zu viel Vertrauen in den Staat zu habe und stattdessen wieder mehr konkrete "klassenkämpferische Aktionen", wenn man so will, vorzunehmen beziehungsweise auch direkt mit Unternehmern zu verhandeln. (Antje Schrupp, 7.8.2015)